Shadowrun Berlin

Die Online Erweiterung von Andreas AAS Schroth

13 Kniffe, die jeder Shadowrun-SL kennen sollte.

SL

Mit dem Spielleitern bei Shadowrun anzufangen, kann ein angsteinflößendes Unterfangen sein:

Statt die Held:innen relativ bequem durch eine klar gefasste Dungeon-Karte zu schleusen und ihnen Welle um Welle sorgsam bemessener EP-Spender entgegenzuspawnen, umfasst Shadowrun eine beinahe unbeherrschbare Vielzahl an Handlungsoptionen – gerade vor dem Beginn des eigentlichen Runs, der „Beinarbeit“.

Die Vielfältigkeit der Optionen vom Gespräch mit Kontakten über das Durchwühlen tausender Terabyte globaler Infodaten (bitte eine entsprechende Menge Handouts vorbereiten) bis hin zu Drohnenüberwachungen, Matrixruns, astralen Entdeckungsreisen zu den Metaebenen der Eunuchengeister (oder noch abgefahreneren Dimensionen) überfordert bereits einen großen Teil der SPIELENDEN – wie, bitte, soll man da als SpielLEITER:IN den Überblick behalten?

Die folgenden Kniffe sind gewiss keine alle Aspekte umfassende „Superlösung“ – schon gar nicht für deine persönliche Spielgruppe, die ganz gewiss ganz eigene Herausforderungen an die Spielleitung (SL) stellt. Aber:

Die Kniffe sind ein Anfang, eine nützliche Toolbox, in der du bestimmt das ein oder andere findest, was dir den Einstieg ins SL-Sein oder auch dein schon seit Jahren ablaufendes SL-Arbeiten einfacher macht.

Und da ich heute Geburtstag habe und ich traditionell an diesem Tag den Rollenspielern etwas schenke, hier also die Kniffe, die jede Shadowrun-SL kennen sollte.

Quasi als „Punkt Null“ der Liste sei jeder neuen SL das GRATIS-INTROABENTEUER „SCHATTENTRICKS“ für Shadowrun 6 ans Herz gelegt [Reddit-Review HIER], das viele Hinweise für neue SLs enthält und in dessen Struktur auch einige „Irrwege“ und unerwartete Handlungen der Gruppe „vorausgesehen“ werden.


#1 Hab keine Angst vor den Regeln.

An den Shadowrun-Regeln sind schon viele verzweifelt. Auch in der sechsten, weiter vereinfachten Edition bleibt Shadowrun schon durch die feste Etablierung (mindestens) dreier Spielebenen (Physische Welt, Matrixwelt, Astralwelt) ein schwer zu leitendes Monster.

Dass Shadowrun trotzdem eines der größten und beliebtesten Rollenspielsysteme darstellt, kann die Scheu, den SL-Job zu übernehmen, sogar noch vergrößern – denn offenbar schaffen es ja tausende Gruppen auf der ganzen Welt, dieses Spiel mit viel Spaß zu zocken, und folglich muss man selbst wohl irgendwie geistig minderbemittelt sein, wenn man es nicht schafft, die Regeln zu kennen und auch im Kopf präsent zu halten.

Ich verrate dir ein Geheimnis: Ich leite Shadowrun seit 1991, und ich kann die Regeln bis heute nicht.

Natürlich weiß ich, wie der Kampf im Groben abläuft – obwohl ich in jeder Edition neu lernen muss, wie Automatikfeuer funktioniert, verdammte Hacke – aber sobald es an Detailregeln geht, bin ich verloren.

Meine Lösung? Ich schreibe mir die Regeln, die ich für eine bestimmte Begegnung benötige, einfach raus, und benutze wo immer möglich Spickzettel, auf die ich noch zu sprechen komme. Außerdem wende ich statt endlose Modifikatorlisten zu checken bei den meisten spontan im Spiel auftretenden Situationen grobe Einschätzungen von Schwierigkeiten und WMs an – auch dazu kommen wir noch. Und drittens nutze ich die Regelwerkkenner unter in der Gruppe als Suffleure bzw. Suffleusen, wozu ich auch noch kommen werde.

Was ich dir als möglicher Weise am SL-Dasein interessierte Person an dieser Stelle nur sagen will, ist: Hab keine Panik! Man kann Shadowrun auch leiten, ohne einen Schimmer von den tausend Detailregeln und Einzelaspekten des Hintergrundes und Metaplots zu haben.

Man munkelt, dass man ohne das alles sogar zum Autor, Redakteur oder selbst Chefredakteur für Shadowrun werden kann …

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Eigentlich wollen alle doch nur Spaß am Spieltisch haben.

#2 Keep it simple.

Wenn du deine ersten Schritte als SL bei Shadowrun gehst – oder du eine erfahrene SL bist, die gerade dringend eine Mission für eine spontane Spielrunde in 40 Minuten aus dem Ärmel schütteln muss – dann ist „Minimalismus“ dein Zauberwort:

Abenteuer mit zu vielen Twists, konkurrierenden Fraktionen und Marionettenspielern, zu vielen Locations, Verstrickungen und Details sind nicht nur irre schwer vorzubereiten und ohne innere Widersprüche zu leiten – sie überfordern in den meisten Fällen auch die Spielgruppe komplett!

Mein Gott, wie oft habe ich schon ganze Spielabende im Wesentlichen stumm verzweifelnd dabei gesessen, während die Spielenden sich abmühten, aus dem Plot-Wust und den Dutzenden Detailinfos Sinn zu schaffen, die wahren Hintergründe aufzudecken oder auch einfach nur aus unzähligen Handouts zu Ziel und Location, Einsatzplänen und Finanzflüssen einen Plan für die Durchführung der Mission zu entwickeln.

Ein Plan, übrigens, der sich in 100% der Fälle bereits früh in der Mission VÖLLIG in Luft auflöste!

Gedankengänge der NSCs, Beziehungen zwischen den Unterabteilungen des Zielkonzerns, ausnutzbare Schwächen der Gardisten-Einsatzpläne und die wahren Hintergründe der Mission erscheinen dem oder der Spielleitenden oft „völlig offenkundig“ – für die Spielenden sind selbst einfache Verstrickungen in der Regel schlicht unentschlüsselbar.

Wenn das die Absicht ist: Okay. Aber wenn du als SL vorhast, der Gruppe das Erfolgserlebnis zu gönnen, einen Verrat des Schmidts aufzudecken oder das der Mission zugrundeliegende Geheimnis SELBST zu lösen (anstatt dass du es ihnen durch deinen Lieblings-NSC selbst verrätst) dann halte den Ball besser flach. Oder schubs die Gruppe gelegentlich in die richtige Richtung.

Für deinen allerersten Run empfehle ich übrigens eine Einbruchsmission, an deren Auswahl und Gestaltung du „cineastisch“ herangehst:

Suche dir eine „filmisch interessante“ Location wie ein in den Barrens verstecktes Lagerhaus, eine hoch über der Stadt thronende Büroetage, ein umfunktioniertes Atomraketensilo, eine verwinkelte Fabrikfestung, eine vom Wasser aus zugängliche Lagereinrichtung oder einen durch die Ödnis außerhalb der Konzerngebiete dahindröhnenden Güterzug und schick die Runnercrew da hin, damit sie für den Schmidt etwas rausholen. Pack eine coole Szene Briefing vorne dran – vielleicht mal in der VIP-Ecke eines Clubs oder Restaurants – und eine cineastisch interessante Location für die Übergabe der Ware hintendran, sieh eine Begegnung mit einer Gang vor und lass es damit dann auch gut sein.

Wichtig beim Schreiben eines unterhaltsamen Abenteuers ist es eben gerade nicht, es chronologisch von vorne nach hinten zu schreiben oder Stunden damit zu vergeuden, sich Motivationen jedes einzelnen NSC zu überlegen: Gerade wenn es schnell gehen muss bzw. man wenig Routine beim Schreiben eigener Abenteuer hat, fängt man am Besten bei den für die Gruppe „greifbaren“ Punkten an wie eben „coole“ Locations, interessante Missionsdetails (Location nur per Tauchen durch ein Rohr erreichbar, Ware muss bis 10:30 Uhr geliefert werden oder ist komplett wertlos, Mission fällt mit wütenden Massenprotesten in den Straßen der Stadt zusammen…) und Marotten einzelner NSCs.

"Geht zum Berg und schmeißt den Ring rein". Was komplex genug für 3 überlange Filme war, sollte auch für deinen Spieltisch okay gehen.
„Geht zum Berg und schmeißt den Ring rein“. Was komplex genug für drei überlange Filme war, sollte auch für deinen Spieltisch okay gehen.

#3 Schubs die Gruppe. Aber nicht durch (d)einen NSC.

Manchmal kommen die Mitspielenden einfach nicht auf den Lösungsweg, den du vorgesehen hast. Was besonders dann doof ist, wenn jeder andere Weg in den sicheren Party-Kill führen wird.

Ich könnte jetzt sagen: Lege deine Missionen so an, dass es immer verschiedene Wege gibt, die zum Ziel führen. Und tatsächlich tue ich das auch: Lege deine Missionen so an, dass es immer verschiedene Wege gibt, die zum Ziel führen.

Aber wenn du dennoch einmal in die Position kommst, dass du eine gewisse Information gerne der Gruppe in die Hand geben willst, und diese sich beharrlich weigert, deinen subtilen Hinweisen zu folgen oder die richtigen Fragen zu stellen, dann bitte, bitte, BITTE verzichte darauf, einen NSC (im schlimmsten Fall deinen Lieblings-NSC oder eigenen SC) dazu zu verwenden, die Info direkt zu übergeben. Im übelsten Fall noch mit der unerträglichen Herablassung eines Magier-, Elfen- oder Drachen-NSCs, der eigentlich eh jeden Plot selbst besser lösen könnte. Wozu überhaupt Runner schicken?

Wenn die Spielenden auf eine dir naheliegend scheinende Lösung nicht kommen, dann frag dich zunächst, woran das liegen kann. In den meisten Fällen lautet die Antwort, dass du einen bestimmten Aspekt der Sechsten Welt für selbstverständlich annimmst, den die Spielerinnen und Spieler – die anders als ihre Charaktere ja nicht in „deiner“ Sechsten Welt leben – einfach nicht kennen oder gerade nicht erinnern.

In diesen Fällen kannst du erstens der Gruppe ganz generell vor Beginn des Spiels einschärfen, dass ihr euch ja alle gemeinsam auf eine Vorstellung des Lebens in der Sechsten Welt einigen müsst, und dass es absolut, ABSOLUT keine Schande ist, gelegentlich nachzufragen: „Was würde denn mein Charakter annehmen, wie das gerade zu bewerten ist“ bzw. „Fällt meinem Charakter als Schmuggler / Deckerin / Magier / ehemaliger Sicherheitskonzernerin (mit Skill X) irgendetwas auf/ein, was an der Sache komisch wirkt?“.

Und zweitens kannst du, statt die Gruppe mit deinem Gandalf Ex Machina zu nerven, auch einfach versuchen, die Info durch die Fähigkeiten eines SPIELERcharakters an die Spieler:innen zu geben.

Ein (langatmiges) Beispiel: Du möchtest, dass die Gruppe früh Zweifel an der Aufrichtigkeit der Schmidt haben. Diese gibt sich als Angestellte von Wuxing aus, ist aber tatsächlich eine MIFD-Agentin von Shiawase. Du hast dir vorgestellt, dass die Mitspielenden von selbst Wahrnehmungswürfe oder Menschenkenntniswürfe oder Würfe auf Konzernetikette verlangen oder nach Besonderheiten fragen. Dem Decker der Runde sollte auffallen, dass die Schmidt Unterwäsche-RFIDs eines japanischen Modelabels hat (deiner Idee nach selbstverständlich undenkbar für eine Chinesin) und der japanischen SC-Samurai der Runde sollte auffallen, dass die Schmidt sich in Nuancen gemäß japanischer und nicht chinesischer Business Etikette verhält (für solche Einfälle sind SLs besonders anfällig, wenn sie gerade Die Wiege der Sonne auf DVD gesehen haben).

Natürlich ahnen die Spielenden rein gar nichts, da sich deren Gehirn vollauf mit der Aufnahme der ganzen Infos zum Run (und der Frage der Bezahlung) beschäftigt. Erledigen die Runner aber einfach nur den Job, kommen sie wie du weißt in eine tödliche Falle und werden alle sterben (die MIFD-Agentin lässt sie einen Virus bei Renraku einschleusen, der zu einem Reaktorversagen führen wird, und Schuld daran soll in den Augen etwaiger Ermittler dann Wuxing sein). Statt nun den japanischen Elfen-Schmugglerkontakt des Samurai-SC unmotivierte Verdachtsmomente gegen die Schmidt erheben zu lassen, könntest du besser Suggestivfragen stellen („Sag mal, scannt dein Decker eigentlich nach RFIDs oder verborgenen Knoten?“, „Hat einer von euch Japanische Konzernetikette?“), einfach selbst Proben ansetzen („Samurai, würfel doch mal INT+CHA“) oder einfach direkt sagen, was Phase ist („Ach ja, Samurai, deine hochgetuneten Cybergeruchssinne fangen bei der Schmidt etwas sehr Seltsames auf, nämlich den unverkennbaren Duft des aktuell schwer angesagten JAPAAANISCHEN Parfüms ‚Lotusschwert‘.„)

Selbst wenn du dieses Nachhaken und Ansagen extrem unelegant machst – eben „mit dem Zaunpfahl winkend“ – ist das IMMER noch besser, als wenn dein SC Shir-Khan der Wertigergestaltwandler grade zufällig einen SC anruft, sich per Dialog das Briefing erzählen lässt und dann fragt: „Klingt für mich wie eine Shiawase Op“.

Es macht dich nicht größer, die Spieler kleiner zu machen.
Es macht dich nicht größer, die Spieler kleiner zu machen.

#3 Klau, was das Zeug hält.

Locations, interessante Charaktere, ganze Plotlines – klau, was immer dir für Shadowrun geeignet vorkommt.

Konzentriere dich dabei eher auf einzelne Folgen einer TV Serie sowie auf Bücher statt auf den letzten Mega-Blockbuster, den du gesehen hast – zu klauen ist doof, wenn man dabei erwischt wird. (Selbst dann kannst du dich auf die Worte von Cyberpunk-2020-Entwickler Mike Pondsmith zurückziehen, der seine ganzen offenkundigen Anleihen bei Cyberpunk-Romanen mit den Worten „Ich klaue nur von den Besten“ abtat).

Besonders effektiv kannst du heutzutage das klauen, was in früheren Zeiten praktisch die Hauptarbeit der Shadowrun-SL war, nämlich das Anfertigen von Grundrissplänen und die Ausgestaltung derselben mit Sicherheitstechnik etc. (nicht unerwähnt bleiben sollte auch die Suche nach BILDERN, die du durch Nutzung von Bildersammlungen wie Pinterest und Artwork-Algorithmen wie Midjourney (ggf. mit etwas Übung) praktisch nach Belieben spontan Bilder für Locations, Geister und NSCs finden bzw. generieren kannst).

Zunächst einmal gibt es was Grundrisse betrifft in diversen Shadowrun-Publikationen ohnehin Pläne, die du gerne für deine Mission verwenden kannst. Wen schert es, dass der Grundriss zu einer Location in Berlin gehört, du aber in Hongkong spielst? Speziell die Quellenbücher Berlin 2080, Datapuls: Hamburg, Datapuls:ADL, Berlin bzw. das aktuelle Berlin 2080, Blut und Spiele, Rhein-Ruhr-Megaplex bzw. der der Revierbericht, der umfassende SL-Guide Hinter dem Vorhang und der Reiseführer strotzen nur so von Grundrissen. Zusätzlich gibt es von Pegasus mit der Reihe „Schnell und dreckig“ weitere GRATIS-Grundrisse inklusive Mini-Mission, zum Beispiel hier der Schmuggler-Flugplatz Berlin-Gatow und hier eine Büroetage von Dynatec.

Vor allem aber ist das Internet randvoll mit Grundrissplänen, die du dir lediglich runterziehen musst und die du dann zum Beispiel mit einem Gratis-Grafikprogramm (oder Powerpoint!) mit den bereitgestellten GRATIS Kartensymbolen (siehe SR6 Grundregelwerk S.241) belegen und auszeichnen kannst. Such einfach nach „Grundriss“ (oder englisch „floor plan“) PLUS der Art Location, die du brauchst (Labor (Lab), Büroetage (Office Floor), Forschungscampus (Campus), Appartement (Appartment), Fabrik (Factory), Lagerhaus (Warehouse) …) und vergiss dabei nicht, in der Bildsuche die Option „nur große Bilder“ zu wählen. Und wenn du’s extra schick (z.B. für Handouts) haben willst, gib noch als zusätzlichen Suchbegriff „3D“ dazu.

Hier einige Trefferseiten:

Endlich ist der ganze Stuss, den Filme, Bücher und Games in deinen Kopf gepumpt haben, mal zu was nütze.
Endlich ist der ganze Stuss, den Filme, Bücher und Games in deinen Kopf gepumpt haben, mal zu was nütze.

#4 Kenne deine Gruppe. Und ihre Charaktere.

Die eine will ballern und der King sein. Der andere will dramatische Konflikte. Die eine will auf Dr-No-jagt-den-Millionen-Euro-Samurai-Niveau spielen. Der andere 21 Jump Street v2082.

Das Wichtigste, was du zu Beginn tun solltest, ist mit deiner Gruppe GEMEINSAM und ganz abseits des Inplay zu klären, was die Vorstellungen zum Spiel sind, was die Erwartungen sind und auf was für Arten von Szenen und Erlebnissen die einzelnen Mitspielenden abfahren.

Bei den daraus folgendem Gespräch gilt es, ein gemeinsames Gebiet von Erwartungen abzustecken, eine „Grundeinigung“ der Gruppe dazu zu finden, was sie überhaupt spielen will.

Ob du dann bereit bist, deine eigenen Spielvorstellungen zugunsten der eventuell ganz abweichenden Interessen der Gruppe zurückzuschrauben (oder deine epische Kampagnenidee zu trashen, weil die Mitspielenden lieber eine Sandbox-artige Drogendealer-Kampagne zocken wollen), ist dann dein Privatentscheid: Ich persönlich würde davon aber abraten, denn das, was die Gruppe auf lange Sicht antreiben wird, ist zunächst DEIN Spaß als Spielleiter:in.

Und da braucht ihr mir auch gar nicht mit der brennenden Mistforke zu kommen: Ja, zweifellos sind diejenigen Runden am Besten, wo alle ihren Spaß haben und die Spielenden die treibende Kraft der Erzählung sind – aber wenn die SL nunmal keinen Spaß hat – zum Beispiel weil sie bzw. er gar nicht das leiten darf, was sie/er als Spiel anbieten wollte – dann endet die Runde in aller Regel SEHR rasch (wohingegen Runden mit einer motivierten und begeisterten SL, bei dem sich die Spielenden eigentlich anöden oder von der SL genervt sind, oft sogar ein noch jahrelanges Spiel-Siechtum aufrecht erhalten können – zumindest solange, bis die Spielenden entdecken, dass es da draußen auch SLs gibt, die besser für die eigene Spielidee geeignet sind).

Das ist im übrigen keine Frage von „gut“ oder „schlecht“: Je besser es der Gruppe gelingt, die Interessen ALLER unter einen Hut zu bringen, desto besser. Das Ergebnis davon kann dann gerne künstlerisch wertvoll sein, aber wenn alle mit tumben Metzelorgien gegen saudumm agierende Abziehbild-Konzernwachen happy sind, wer wäre ich, darüber zu motzen? Stumpfe Spaßgewalt hat definitiv ihren Platz bei SR (und Harlekin leider auch, mit dem wiederum ICH so gar nix anfangen kann).

Solange es allen in der Runde Spaß macht, ist es völlig okay.
Solange es allen in der Runde Spaß macht, ist es völlig okay.

#5 Werde persönlich

Mission erledigen, Karma kassieren, Geld bekommen, aufleveln – bestimmte Bestandteile von Rollenspielen können Computerspiele heute viel besser als jedes Tischrollenspiel.

Was aber niemand außer dir als SL kann, ist, den Mitspielenden auf sie und ihre Charaktere zugeschneiderte Plots, Probleme und Lösungen entgegenzuwerfen. 

Der Decker kommt ursprünglich aus einem Konzern? Lass seine Familie nach ihm suchen. Die Samurai hat sich bei einer zurückliegenden Mission mit der süßen Bedienung im Club Nitro angefreundet? Lass die Bedienung tief in die Scheiße mit einer Gang geraten und die Samurai um Hilfe anrufen. Der Rigger hat Militärhintergrund? Die Sicherheitsleiterin des Zielobjektes ist die Sergeantin, die ihm das Leben gerettet hat. Die Magierin ist ein brillanter Ehrgeizling? Ihr Erzrivale ist Konzernmagier und tatsächlich der Urheber des Runs, die Macht hinter dem Schmidt, dessen Auftrag die Runner in den sicheren Tod führen soll.

Beginne auch hier ganz klein und starte vor allem nicht mit einem NSC, der DIR gefällt, sondern der bei einer Spielerin (oder allen Spielenden) eine Reaktion auslöst: Es ist IRRE schwer, einen Mitspielenden emotional zu triggern mit einem Charakter, der ihm bzw. ihr scheißegal ist. Hast du aber bemerkt, dass ein Charakter – das kann auch eine völlige Nebenfigur sein – eine:n Spieler:in berührt, dann lass diesen Charakter öfter auftauchen, lass ihn wachsen und nutze ihn dann als Auftraggeber:in, zu rettendes Opfer – oder als überraschende:n Verräter:in.

Es gibt nur eine Einschränkung: Lass Kontakte und Freunde, für deren Loyalität die Spielerin bzw. der Spieler mit Generierungs- oder Karmapunkten bezahlt hat, nicht fiese Verräterschweine sein. Das ist nicht fair! In einer Welt voller Verrat, Lüge und Unsicherheit brauchen die Spielenden unbedingt einige wenige Personen, auf die sie sich verlassen können – ihre eigenen, „bezahlten“ Kontakte (dasselbe gilt im übrigen auch für den mit Startpunkten gekauften Helikopter der Riggerin, dessen etwaige Zerstörung zwar immer ein Risiko, nie aber dein erklärtes Ziel oder eine nebenbei abgewickelte Handlung „zur Einstimmung aufs Abenteuer“ sein sollte).

Von George R. R. Martin lernen heißt siegen lernen.
Von George R. R. Martin lernen heißt siegen lernen.

#6 Reduziere die Optionen. Und benenne sie.

Es gibt diese wundervolle Erzählung eines Vaters, der seiner 5-jährigen Tochter das Rollenspiel beibringt. In dieser fragt die Tochter von sich aus immer wieder „What are my options?“, worauf der Vater (und SL) kommentiert: „I swear, if more D&D players just asked this, sessions would go a lot more smoothly.“ (hierzu gibt es von mir übrigens einen eigenen Artikel).

Und damit hat er für Shadowrun betrachtet noch viel mehr Recht, denn es ist diese unendliche Vielzahl der Handlungsmöglichkeiten, die viele SR-Runden gelegentlich stundenlang aufhalten und in alptraumhaft langatmige Besprechungsrunden ausarten lassen (was okay ist, solange alle Spaß dran haben – aber keinesfalls länger!).

Im Einklang mit Kniff #3 oben lautet also auch hier der Tipp: Ermutige die Spielenden offplay und vor Sessionbeginn, nach Handlungsoptionen zu fragen, wenn sie nicht weiterwissen. Die Spielenden leben anders als ihre Charaktere nicht in deiner Vorstellung der Sechsten Welt, und keine noch so detaillierte Beschreibung kann ALLES so präsent vermitteln, wie es sich den Charakteren mitten in der Szene eigentlich darstellen würde.

Fragen wie „Was sind meine Optionen?“ bzw. „Ich betrachte die Szene von meiner Warte als ehemalige Sicherheitsexpertin aus – fällt mir eine Handlungsoption auf, die wir hier noch gar nicht besprochen haben?“ sind legitim und erzielen eine erhebliche Beschleunigung des Spiels weg vom ziellosen Herumdiskutieren und hin zu ACTION. 

Das ist keine Herunterdummung des Spiels: Die SL kann ja die Auskunft verweigern oder eine knackige Fertigkeits- oder Attributsprobe vor die Auskunft setzen. Aber die Optionen zu kennen hilft, die Action im Fluss zu halten, und daran hat spätestens nach 1 Stunde Diskussion am Spieltisch uneingeschränkt JEDER ein Interesse.

Um die Optionen benennen zu können, muss man sie freilich kennen. Und das heißt für dich als SL, auch die naheliegenden Optionen (plus ein paar abseitigere) auszugestalten, um sie ggf. abarbeiten zu können (mindestens Ereignisse in der physischen Welt, AR/Matrix, ggf. Astralraum und Kontakte der SCs verständigen/bei diesen nachfragen).

Im übrigen können von dir selbst angelegte Flowcharts helfen, einen Überblick insbesondere über Kaufabenteuer-Abläufe und Handlungsoptionen zu gewinnen und auch zu behalten.

Du kannst das Angebot des Konzerns annehmen oder deine Freunde retten. Oder du stehst da und machst erstmal 3 Sessions lang einen Plan.
Du kannst das Angebot des Konzerns annehmen oder deine Freunde retten. Oder du stehst da und machst erstmal 3 Sessions lang einen Plan.

#7 Baue Begegnungen auf Vorrat.

Dieser Kniff steht in Zusammenhang mit Kniff #11 („Bleib flexibel und recycle“), gehört aber noch zur Vorbereitung des Spielabends:

Viele SLs haben Schwierigkeiten, irgendwo in ihrem Alltag gleich mehrere Stunden zur Vorbereitung eines gesamten Runs freizuschaufeln – manche schrecken auch vor der Mammutaufgabe der Komplettrun-Planung wiederholt zurück (ich bin ein perfektes Beispiel für beide SL-Typen). Aber:

Manchmal hat man eine gute Idee für eine einzelne Szene. Und die sollte man dann schnell notieren und am Besten so, dass sie flexibel nutzbar ist.

Bau eine Schieberin und ihre versiffte, von Orks in Blaumännern einer nahen Fabrik frequentierte Kaschemme. Bau einen Schattenmarkt. Bau eine Gang mit interessantem Grundthema. Bau ein kleines Bürogebäude mit interessantem Twist in der Matrixpräsenz.

Du musst nicht wissen, wann exakt du diese Begegnungen oder Szenen brauchst – aber es wird dich ENORM beruhigen, dass du sie auf Vorrat hast, und dass du sie dann bei Bedarf jederzeit herausziehen kannst – zum Beispiel, wenn die Runner mal wieder den von dir vorhergesehenen Pfad des Abenteuers verlassen haben und plötzlich einen nebenbei erwähnten, nicht ausgearbeiteten Schieber aufsuchen wollen (Tipp: Wie sich herausstellt, wird der Typ sich dann im Hinterzimmer einer von Orks in Blaumännern einer nahen Fabrik frequentierten Kaschemme aufhalten).

Ultimativer Supertipp für Spielabende, an denen dir wegen abseitiger Ideen der SCs der Plot komplett entgleitet und du drohst, völlig den Überblick zu verlieren: Vorbereitete Begegnungen mit Gangs, Polizisten, Konkurrenten, Kontakten oder auch Ereignisse wie Stromausfälle, Straßensperren, Überflutungen oder Wetterereignisse können dich bis zum Spielende RETTEN. Durch das vorbereitete Ereignis kannst du „Zeit schinden“ bis zum Ende des Spielabends – um dann in Ruhe bis zur nächsten Session die Scherben der Mission zusammenzukehren, neu zu kitten und aus dem Chaos eine veränderte (oder komplett neue) spannende Story zu schmieden.

Addendum: Die kurzfristige Absage genau des Spielers, dessen Charakter für das aktuelle Abenteuer benötigt wird ist das ultimative Horrorszenario, die oft die kurzfristige Absage des Spielabends nach sich zieht. Der SL Brian Downes (dessen Link zum Artikel leider nicht mehr funktioniert) empfiehlt hierfür das „Drop-In Adventure“. Dabei handelt es sich im Grunde um eine vorbereitete Begegnung, die zum Kurzabenteuer erweitert wurde. Das Abenteuer – zum Beispiel die Entführung des Freundes einer engen Connection, deren Hilferuf man nicht einfach wegklicken kann – wird so vorbereitet, dass die Opposition primär aus „Goons with Guns“ besteht, also zum Beispiel Gangmitgliedern oder Mafiasoldaten oder Konzernwachen. Dazu bereitet man dann 2-3 Spezialisten vor – klassisch einen Magier, einen Sicherheitsrigger mit Drohnen und einen Decker – von denen man dann am konkreten Abend aber nur 1 oder 2 einsetzt. Wenn also die plotkritische Magierin abgesagt hat, werden die verbliebenen Spielenden in ein Zwischenabenteuer geworfen, bei dem es darum geht, eine entführte Person aus einer Lagerhalle zu holen, die von 6 Gangern und einem Rigger mit ein paar Drohnen bewacht wird. Ist hingegen der plotkritische Rigger oder Decker abgängig und die Magierin ist brav erschienen, wäre das Kurzabenteuer zwar dasselbe, aber neben den 6 Gangern würde das Lagerhaus noch von einer Schamanin mit Geist bewacht. You get the idea.

Man weiß nie, wann man sie braucht.
Man weiß nie, wann man sie braucht.

#8 Hol dir Hilfe. Es gibt genug davon.

Du bist nicht die erste SL der Welt. Deine Probleme hat mit einiger Sicherheit schonmal jemand anderes gehabt, speziell dann, wenn es so Shadowrun-typische Probleme wie „meine Spieler haben sich unkillbare Monster gebaut“).

Schau also zum Beispiel im Pegasus Discord (im Bereich „Pegasus Forum / Shadowrun“nach, ob schon jemand ein ähnliches Problem benannt (und gelöst) hat, oder eröffne einfach einen Post mit deinem persönlichen Problem. Das Gleiche kannst du mit deinen Regelfragen tun. Oder deinen Verständnisproblemen zu Magie und Matrix.

Wirf dabei auch einen Blick in Foren abseits des Pegasus-Discords, zum Beispiel beim Technoschamanen (nein, dort geht es nicht nur um Technoschamanen), dem SR-Nexus, den Blutschwertern oder Tanelorn.

Naja, und schau gerne auch auf den Seiten hier nach, ob es für dich plünderbare Ideen gibt, etwa die 36-Dinge-Listen für Zufallsbegegnungen und anderes Random Zeugs, das ohne Vorbereitung direkt am Spieltisch angewendet werden kann (wozu auch der Charakteraufsteller des Infosheets gehört).

Und vergiss den Gratis-Downloadbereich von shadowrun6.de sowie die Shadowhelix als praktisches Shadowrun-Nachschlagewerk bei Pegasus nicht (und natürlich auch nicht das Shadowrun Wiki)!

Wenn alle Stricke reißen, ist das Shadowrun-Forum von Pegasus für dich da.
Wenn alle Stricke reißen, ist das Shadowrun-Forum von Pegasus für dich da.

#9 Nutze die Macht des PDF.

Ich LIEBE meine Totholz-Quellen und möchte um nichts in der Welt auf Shadowrun-Bücher verzichten. Aber: Für die schnelle Recherche sind PDFs einfach unschlagbar. Gerade dann, wenn man sich nicht restlos darauf verlassen möchte, dass die Infos in der Shadowhelix korrekt und kanonisch sind.

Wenn du viele oder gar alle Shadowrun-Bücher (ggf. zusätzlich) als PDF hast, stellt die Recherche kaum ein Problem dar: Suche einfach in deinem Rechner nach dem Schlüsselbegriff oder Konzern, zu dem du Infos benötigst, und lass dir ggf. die Suchergebnisse nach Dateityp anzeigen. Dann ruf die betreffenden Shadowrun-PDFs auf und suche INNERHALB des PDF nach dem Begriff – und fertig!

Schneller kommt auch der Decker in der Sechsten Welt nicht zum Ergebnis.

Addendum: Der Acrobat Reader bietet auch in der Gratisvariante eine Expertensuche, mit der du nach genauen Worten, Wortgruppen und Formulierungen suchen kannst. Das ist speziell dann wichtig, wenn du z.B. nach „Umbra“ suchst, aber weder an Treffern für „… (Club) PenUMBRA …“ noch „… wer ihn UMBRAchte …“ interessiert bist!

Doch hüte dich vor der dunklen Seite der Raubkopie.
Aber hüte dich vor der dunklen Seite der Raubkopie. Es gibt nur dann SHADOWRUN, wenn auch du dafür Geld ausgibst!

#10 Nutze billige Hollywood-Tricks.

Es wird deinem Spiel enorm helfen, wenn du der Gruppe mehr als nur den wohltuenden Klang deiner Stimme anbietest, um in der Sechsten Welt von Shadowrun zu versinken.

Sorge für eine möglichst intensive Stimmung am Tisch, etwa durch Deko und Herrichten des Spielraums oder wenigstens Dimmen des Lichtes.

Das beste Tool zur Vermittlung einer Atmosphäre ist natürlich die Musik, wofür du auf Spotify z.B. nach den Playlists „Shadowrun Music“ (Cyberpunkmäßige Songs), „Shadowrun Ambience“ (passende Film- und Videospielmusik) und „Shadowrun Soundscapes“ (Geräuschkulissen) suchen kannst, die ich (dort: Andreas Schroth) zusammengestellt habe. Nutzt du Spotify nicht (wofür es keinen vernünftigen Grund gibt), dann findest du besonders auf Youtube MASSENHAFT Playlists und Endlostracks für fast jede denkbare Stimmung, zum Beispiel hier und hier.

Und fühl dich frei, dir das perfekter Ambiente deiner Szene selbst zusammenzumixen. Der Ambient Sound Mixer ist dein Freund (z.B. Klangbeispiel einer leeren Fabrik hier). Und es gibt bestimmt noch wesentlich mehr Tools.

Wen nennst du hier billig?
Wen nennst du hier billig?

#11 Bleib flexibel und recycle.

Deine Missionsplanung sah vor, dass die Gruppe den Schrotthändler Boris aufsucht. Auf dem Schrottplatz hätte es eine fiese Gang-Begegnung und eine Begegnung mit ein paar Teufelsratten gegeben. Du hast dir die Szene aufgebaut, dir Bilder zum Zeigen durch eine KI generieren lassen, dir einen Ambient Sound gemixt und dich tierisch gefreut … nur haben deine Spieler:innen einen komplett anderen Pfad eingeschlagen.

Du kannst dieses Problem per Railroading lösen, indem du die Gruppe dazu ZWINGST zum Schrotthändler zu gehen – andere Ansätze scheitern oder führen zur Begegnung mit einem aggressiven Lofwyr am Ende seiner Kneipentour (die so genannte Ulrich-Kiesow-Methode der Plotplanung).

Besser allerdings wäre es, wenn du es locker nimmst: Die Idee der Spielenden macht Sinn? Dann lass sie das Ziel auf IHREM Weg erreichen, passe das Abenteuer entsprechend an und verwende die mühsam vorbereitete Schrottplatz-Szene samt Kampfwerten, Bildern, Karten, Handouts und Sounds in einem späteren Abenteuer (oder als „Szene auf Vorrat“, wann immer die Charaktere dann einmal spontan beschließen, etwas auf einem Schrottplatz besorgen oder übergeben zu müssen).

Nicht traurig sein: Die Gang kann ihnen auch noch an einem anderen Tag begegnen.
Nicht traurig sein: Die Gang kann ihnen auch noch an einem anderen Tag begegnen.

#12 Mach deine eigenen Cheat Sheets.

Cheat Sheets sind knackig zusammengefasste Regeln zu verschiedenen, häufiger im Spiel vorkommenden Situationen. Dem Spielleiterschirm von Shadowrun 6 liegen einige davon bei.

Ich empfehle dir trotzdem, dir selbst diese Regel-Übersichten aus dem Grundregelwerk herauszuschreiben. Ganz einfach deshalb, weil dir dies dabei hilft, die Regeln zu verstehen und zu erinnern, plus weil Cheat Sheets, die du selbst erstellt hast, für dich auch schneller erfassbar sind.

Im übrigen empfehle ich, diese Regelübersichten von Hand zu erstellen und nicht am Rechner. Mir zumindest hilft es dabei, den Platz optimal zu nutzen, zueinander gehörende Regelteile mit Pfeilen zu verbinden und Regelteile durch Umrandungen und Größe nach „wichtig“ und „nicht so wichtig“ zu teilen.

Selbstgemachte Cheets werden dein Spiel verbessern. Um mindestens 20%.
Selbstgemachte „Cheets“ werden dein Spiel verbessern. Um mindestens 20%.

#13 Be the Boss.

Regeln dienen der Erzählung, nicht ihrer Verhinderung. Wo immer dir Regeln im Weg sind, schieb sie beiseite und schätze Schwierigkeiten „über den Daumen gepeilt“ ab.

Ohnehin ist der Regeldetailreichtum bei Shadowrun einigermaßen Unfug, da sich alle Modifikatoren und Vorzeichen am Ende doch nur in eine sehr begrenzte Variantenvielfalt herunterbrechen lassen, nämlich:

  • Leicht = Schwellenwert 1
  • Durchschnittlich = Schwellenwert 2
  • Schwierig = Schwellenwert 4
  • Sehr schwierig = Schwellenwert 6
  • Extrem schwierig = Schwellenwert 8+

sowie eventuell einem Würfelpool-Modifikator für die Arbeits- oder anderen Bedingungen vor Ort (bzw. in SR6 regele diese Effekte auch gerne über die Vergabe von Edge):

  • Ablenkung = WM -1
  • Mäßige Bedingungen / kein gutes Arbeitsmaterial = WM -2
  • Schlechte Bedingungen = WM -3
  • Furchtbare Bedingungen / gar kein Arbeitsmaterial = WM -4
  • Hervorragende (Ideal-)Bediungungen = WM +1

Und that’s it.

Es ist schön, wenn du alle Schwierigkeiten und Modifikatoren im Kopf hast, aber falls nicht, dann sei dir nicht zu Schade, eine Aufgabe über den Daumen gepeilt für „schwierig“ zu halten, den fallenden Regen als „Ablenkung“ zu betrachten und der Spielerin ein „Schwellenwert 3, WM -1“ anzusagen.

Im Regelfall (haha) wird das akzeptiert werden – aber wenn der Regelfuchser (und ja, meistens ist es ein Kerl) es genau vorgerechnet haben will, dann erinnere ihn daran, dass DU als SL diese Ansagen machst, und dass diese Aufgabe auch genau so in seinen heiß geliebten Regeln benannt wird (übrigens auf Seite 231 des SR6 GRW, sollte ein Klugscheißer es ganz genau wissen wollen: „Wenn es Zweifel hinsichtlich der Regelauslegung gibt oder wenn eine Situation entsteht (…), die nicht explizit von den Regeln abgedeckt wird, oder wenn fraglich ist, wie eine Regel auf eine bestimmte Situation angewendet werden soll, dann hat die Spielleiterin das letzte Wort, wie es weitergehen soll“.

Es ist NICHT deine Aufgabe als SL, den Spieler:innen gegenüber jede Ansage durch Einzelnachweis auf Regelseiten zu rechtfertigen und zu beweisen!

Wenn aber der Spieler (ja, es wird meist ein Mann sein, und niemandem tut das mehr leid als mir) meint, die Aufgabe sei gar nicht „schwer“ – UND(!) das einleuchtend begründen kann („warum soll es für meinen Charakter schwer sein, das Schild im Dunkeln zu lesen, ich habe doch Restlichtverstärker und Zoom eingebaut“) dann korrigiere deine Ansage gern – die Vorteile und Kompensationen des Charakters zu kennen, ist Job des SPIELENDEN, nicht der SL!

Gerade WENN du der Chef* am Spieltisch bist, kannst du dir zudem Korrekturen deiner eigenen Ansagen durchaus leisten. Mit harten Bandagen um Zahlenwerte feilschen müssen nur solche Runden, die ein Autoritätsproblem mit ihrem SL haben. Und dieses Gezoffe schadet dem Spiel aller, und gerade der Spielenden am Tisch.

* Persönliche Anmerkung: Es ist WAHNSINNIG Schade, dass selbst im Jahr 2022 (dem letzten Update dieses Artikels) gerade SpielleiterINNEN immer noch massiv mit Anwürfen, blöden Kackscheißesprüchen und Besserwisserei männlicher Spieler zu kämpfen haben. Es ist ehrlich gesagt nicht nur Schade, sondern PEINLICH, und als weißer (mittel-)alter Cis-Mann SCHÄME ich mich für euch!!! Rein persönlich kann ich dieses Panne-Verhalten NULL nachvollziehen, speziell da ich gerade in meiner SR-Spieler-Anfangszeit unter Eva L. und später unter Sue M. unter Spielleiterinnen spielen durfte, die sehr kompetent und mitunter bessere Erzählerinnen als ich, vor allem aber bessere Regelkennerinnen als ich waren. Zweitens wäre es mir und übrigens auch jedem meiner männlichen Mitspieler NIE in den Sinn gekommen, die Autorität einer/eines SL an ihrem/seinem Geschlecht oder Gender festzumachen, noch der sexuellen Ausrichtung, der Hautfarbe, der Abstammung oder der Größe bzw. Kleinheit des Bankkontos. Ich bin offen gesagt ENTSETZT über das, was mir da in den letzten paar Jahren zu Ohren gekommen ist. Solltest du dich da unangenehm angesprochen fühlen … Well, ich kenne deine Story nicht. Vielleicht hat dein Panne-Sein (pardon) Gründe in deiner Erziehung, deiner Kultur, deinem Aufwachsen, deinen Kumpels, deinen Vorbildern. Es ist – meine ehrliche Meinung – erstmal niemandem vorzuwerfen, unter welchen Umständen man groß geworden ist oder welcher Dummfug einem eingeimpft wurde – aber es ist verdammt nochmal nicht zuviel verlangt, an den eigenen DEFEKTEN spätestens als Erwachsener etwas zu ändern. Bzw. wie die Ärzte („AUS BERLIIIN!“) singen: „Es ist nicht deine Schuld, dass die Welt ist, wie sie ist – es wär nur deine Schuld, wenn sie so bleibt!“

Spieler können deine Angst wittern.
Spieler können deine Angst wittern.

Der Bonus-Kniff: #14 Hab Spaß an der Sache.

Der wichtigste Hinweis:

DU bist als SL die- bzw. derjenige, die/der in Vorbereitung, Durchführung und der von vielen unterschätzten NACHBEREITUNG des Spielabends (wo du aufnotierst, wo die SCs stehen, mit wem sie geredet haben und dass die Chefin der Tunneltroll-Gang geschworen hat, ihnen irgendwann die Haut abzuziehen) die meiste Arbeit und damit den höchsten „Einsatz“ hast. Also hab dafür auch gefälligst deinen Spaß.

Entspann dich. Und wenn du ums Verrecken und trotz aller Einigungsversuche und Privatgespräche mit dem Min-Maxer oder dem Regelanwalt der Runde nicht klarkommst, dann trenne dich lieber von der/dem Betreffenden als von deinem Hobby! Manchen ist einfach nicht zu helfen, und man kann nicht von allen gemocht werden.

Party on!

SL sein: Der beste Job der Welt, den keiner will.
SL sein: Der beste Job der Welt, den keiner will.

16 Antworten zu “13 Kniffe, die jeder Shadowrun-SL kennen sollte.

  1. Schwarzmaler Oktober 20, 2014 um 22:04

    Danke für die informative Spielhilfen. Ich leite erst seit kurzem wieder und mir ist das Spielgeschehen um einiges wichtigere, als die Regeln des Systems. Da bin ich erleichtert, dass sogar ein Aas nicht alle Regeln intus hat. Während des Spiels finde ich es irgendwie nervend, wenn man eine spannende Szene unterbrechen muss, um „nur“ schnell mal zu schauen, wie das eine oder andere regeltechnisch funktioniert. Ich selber agiere dann meistens mit Handgelenk mal Pi. Die Idee, schon vorher Regeln zu notieren finde ich super!

    Obwohl ich ein Fan von komplexen Handlungsfäden in den Romanen oder Filmen bin, tue ich mich damit bei Runs schwer. Z.B. bei der ersten Geschichte von Blut & Spiele kam ich schon bei der Vorbereitung ins Schwitzen – nur dank meinen ausführlichen Notizen konnte ich den gesamten Plot erkennen. Das Spiel verlief dann auch nicht viel besser – es war, insbesondere für mich, mehr Frust als Lust (evtl. war es auch ein Fehler, den Plot in einem Durchgang zu spielen). Der nächste Run im Abenteuerband verlief zum Glück viel besser und allgemein kann ich das Buch wärmstens empfehlen – man kann die verschiedenen Settings auch mühelos in Berlin unterbringen.

    Beim nächsten Shadowrun werde ich eine Feedback-Runde abhalten. Einerseits möchte ich den Spielern darlegen, was sie gut gemacht hatten und auch ermutigen, das eine oder andere in Zukunft zu wiederholen. Andererseits ist es natürlich auch interessant zu wissen, was den Spieler am Spiel gefallen hat, so dass ich die erwähnten Punkte beim nächsten mal berücksichtigen kann. Die Idee zur Feedback-Runde habe ich von den Machern der Youtube-Serie „Plüschgranate“ aufgeschnappt. Allgemein kann ich die Serie wärmstens empfehlen. Ich finde es spannend zu hören, wie andere ein Rollenspiel umsetzen… und ich hätte auch nie gedacht, dass dies online so gut funktioniert.

  2. Pingback: Fragenkatalog für den Gruppenkonsenz | Shadowrun Berlin

  3. Jennifer Kronov Juni 4, 2015 um 13:30

    Vielen Dank für diese Verdeutlichung der SL-Attitüden. Nachdem uns DSA nicht mehr lockte, haben wir seit ein paar Sitzungen mit SR (allerdings in Ed4) begonnen und allein die Ebenen (Real, Matrix und Astral) können einer SL ganz schön zusetzen.
    Die Welt von SR finde ich extrem reizvoll und die Vorbereitungen von Runs und Spielabenden nehmen mich manchmal Tage in Anspruch (die ich gern opfere). Um bei der Umsetzung dann nicht in Wuselei unter zu gehen (zwei meiner fünf Spieler haben Min-Max-Tendenzen), tut es gut, vorm Spieleabend die Liste der 13 SL-Kniffe zu überfliegen.
    Danke dafür.

  4. Oliver Schönen März 18, 2016 um 20:59

    Großartiger Artikel, aus dem ich alter Hase (leite seit fast 20 Jahren), einige Dinge rausziehen konnte und mir die ein oder andere Idee gebracht hat.
    Vielen Dank hierfür! 🙂

  5. Tim September 26, 2016 um 08:51

    Für einen relativen Neuling bei SR hinsichtlich des leitens einer Runde Danke ich dir zutiefst für diesen echt super geschriebenen Beitrag. Hat mich sehr gepusht die Chummer zu einem Mr Johnson einzuladen und los zu legen. Leg dich nicht mit Drachen an!

  6. Pingback: Mit featherandsword in die Sechste Welt – Von Runnern und Regeln – featherandsword

  7. Pingback: [SL Tipp] Karten und NSC-Bilder | Shadowrun Berlin

  8. Richard Karusseit Februar 21, 2018 um 08:23

    Vielen Dank für diese schöne SL Tipps. Ich leite seit einem Jahr eine SR5 Runde und habe davor nur ein halbes Jahr SR5 gespielt. Es gab für mich daher einige „Oh Shit, wie wird das denn jetzt gemacht????“ Momente. Aus der Erfahrung diser Momente kann ich noch ein paar Tipps geben.

    #15: Halt dich an das was du kennst
    Ganz einfach, die SR5 Welt ist eine Dystopie unserer Welt. Daher kann man vieles aus unserer Welt benutzen. Mir hat das vor allem bei den vielen Ebenen der SR5 Welt geholfen. Hier eine kurze Zusammenstellung wie ich mir die unterschidlichen Evbenen vorstelle:

    Matrix: Eine Mischung aus aufgevlasenem WLAN, einem dreidimensionalen Internet und dem Netz der Dinge
    Host: Ich baue mein Haus als 3D Computerlevel.
    Astral: Wie ein „Leben entdecken“ Zauber aus bekannten PC RPGs wie Morrowind oder Oblivion
    Planare Ebenen: Fantasieland, baue die Ebene zu den dort heimigen Geistern passend und werde auch absurd davei.

    #16: Mut zur Improvisation
    Wenn du mal absolut keine Ahnung hast wie das, was auch immer, gemacht oder dargestellt wird, dann denk dir was aus. Ich überlege immer was wäre Interessant und was würde mir als Spieler Spa´ß machen.

    #17: Du bist der SL, verdammt nochmal!
    Und das heißt sprichwörtlich du bist GOTT *MUHAHAHA*. Natürlich sollte man das seinem Spielern nicht ins Gesicht hauen, aber es hilft ungemein bei der Disskusion mit Regelnazis und Powerplayern. Wenn du etwas aus dramaturgischen Gründen anders machst als in den Regeln oder den spielern eine Probe verwährst dann kannst du das auch machen.
    Du hast diese Freiheiten als Spielleiter und darfst sie auch nutzen. Schließlich bereitest du die Abenteuer Stundenlang vor und nach.

    Keep on Running, chummers

    ————-

    Rekutierung: Ich suche noch Spieler für meine SR5 Sonntagsrunde in Berlin Spandau. Wer interesse hat kann sich unter kurzloesung@gmail.com melden

    Initiativbewebung: Ich suche nach einer SR5 Runde in Berlin, am liebsten Friedrichshain. Wer noch Spieler sucht sagt bitte Bescheid, unter kurzloesung@gmail.com

  9. Scott Oktober 12, 2018 um 13:01

    Vielen Dank für diesen Beitrag. Meine Runde und ich haben uns auf SR geeinigt und darauf, dass ich mich am SL versuchen werde (auf meinen Wunsch hin). Nach Überfliegen des Regelwerks hab ich festgestellt, was für eine (vermeintliche) Mammutaufgabe ich mir hier eingetreten habe und den Beginn des Spiels seither aufgrund von Zeitmangel verzögert. Mit diesem Beitrag habe ich aber neuen Mut gefasst, werde das Ganze lockerer sehen und demnächst gemeinsam mit meinen Leuten in die Welt von SR eintauchen.

  10. Pingback: Connection: Grimm | Shadowrun Berlin

  11. Pingback: Serviervorschlag: Zwillen | Shadowrun Berlin

  12. Alexander August 16, 2021 um 13:47

    Vielen Dank für diesen tollen Artikel. Bin noch Neuling bei Shadowrun und beginne jetzt als SL. Je mehr im gelesen habe um so weniger habe ich mir merken können. Dein Artikel hat mir aber wieder Zuversicht gegeben. Bin gespannt wie es funktioniert. Danke für deine Mühen.

  13. Pingback: 6 Fragen, die jeder Spieler öfter stellen sollte | Shadowrun Berlin

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