Shadowrun Berlin

Die Online Erweiterung von Andreas AAS Schroth

Drachenbrut 01 | Mit den Augen der Katze (7)

HAMBURG | 2053

Der grazile Elf erhebt sich. Seine Hände tasten nach Zigaretten, finden keine. Wieder einmal Zeit, sein kleines Reich zu verlassen – nach draußen zu gehen. Im Vorbeigehen steckt er die leeren Wodkaflaschen in eine Aldi-Real-Tüte und wirft sich seine Lederjacke über. Die automatische Schrotpistole findet ihren Platz im Stiefel, ein Katana gleitet singend in seine Scheide.

Seine Sonnenbrille über die Augen geschoben, betritt er den schmalen Holzsteg vor seinem Zimmer. Unter ihm erstreckt sich ein für Wildoster Verhältnisse riesiger Raum, einst Teil des Laderaums eines Elbeschleppers, nun das „Potseluj“, ein Billig-Bordell, wie es Dutzende in Wildost gibt: Sperrmüllreife Sofas mit roten Bezügen und umständlich selbstrestaurierte Spiegel und Bilder geben der armseligen Umgebung den Hauch russischer Bordelle, einige zu Lampenhaltern umfunktionierte Porzellanengel tun das übrige dazu. Auf einem der Sofas ist ein Städter gerade „bei der Arbeit“, und das schmerzliche Schluchzen unter ihm, die einzelne von Tolstois Winkel aus zu sehende fragile Hand, die in die Bezüge gekrallt ist, lassen das Licht seiner Augen erlöschen und sie zu dumpf rot-schwarz brodelnden Löchern werden.

Der feiste Kopf des Städters zuckt empor, das eine Auge noch immer leicht geschwollen von Tolstois letzter Begegnung mit ihm. Wissend um die Standpauke, die der Elf von der Bordellbesitzerin erhalten hat und sicher im Odem seiner ecu grinst er Tolstoi mockierend an, unterdessen er schnaufend sein Geschäft fortsetzt. Der Elf in der schweren schwarzen Lederkleidung setzt seinen Weg fort, den Blick starr geradeaus gerichtet.

„Hey, na, Russki-Elf ! Willst „ne Runde mitschieben auf der Thai-Schlitze? Ich geb“ einen aus – oder haste schon deinen Schwanz in Wodka eingelegt, hä ?“

Wie von einer unsichtbaren Faust getroffen hält der Elf inne, dreht sich langsam um. Zwei Fadenkreuze erscheinen in der Schwärze seiner Augen. <N>Der Städter, ein mittelmäßiger Exec bei AG Chemie, hat die zierliche Asiatin umgedreht, so daß er sie nun von hinten nimmt und diese Tolstoi ins Gesicht sehen muß. Das Mädchen heißt Fatima und Tolstoi hat von all den armseligen Geschöpfen in Wildost für sie die stärksten Gefühle.

Erinnerungen an ihren viel zu kindlichen Körper, der sich in Winternächten an seinen schmiegt, oder an ihre Tränen auf seiner Schulter nach ihrem ersten Mal hier im Potseluj, steigen in ihm auf. Auf seine eigene Art und Weise liebt er sie, wie er alles auf seine eigene Art und Weise liebt, doch sie blickt ihren „großen Bruder“ nur flehentlich an.

Ihr schmutziges Gesicht ist von einem struppigen Geflecht aus braunen Locken umgeben, und blaue Elfenaugen leuchten aus ihrem kindlichen Gesicht. Sie kennt seine Reizbarkeit in solchen Situationen, liest die brennenden Muster seiner Augen. Unterdessen der Städter lacht und Tolstoi sich abwendet weiß alleine sie, wie nahe der Städter eben an seinem Tod war – trotz seines Geldes, trotz der Bordellbesitzerin, trotz der Russen-Mafia in den Schatten hinter jedem Lokal in Wildost. Dann schließt sie die Augen und läßt den Rest über sich ergehen.

Goldene Augen funkeln aus einem Spalt in der Decke.

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