Shadowrun Berlin

Die Online Erweiterung von Andreas AAS Schroth

Drachenbrut 01 | Mit den Augen der Katze (1)

KIEV | 20-10-2010

Schneeflocken treiben über den Innenhof der Klinik Kiev. Schnee wiegt schwer auf dem Efeu, das sich über die gesamte Rückfront des alten Backsteinbaus erstreckt. Weiß-marmorne Engel lächeln müde aus bleichen, leeren Augen über den Hof, in dessen Mitte eine Reihe kleiner Steinbänke einen Brombeerstrauch umgeben.

Aus einem der Fenster im zweiten Stock sind Schreie zu vernehmen, die sich hallend im Tanz des Schnees verlieren.

Eine einzelne Gaslaterne beim Busch taucht den Innenhof in ein matt-goldenes Licht, das von einem Paar Augen reflektiert wird. Den Schnee aus dem dichten schwarzen Fell schüttelnd, tritt eine Katze aus dem Inneren des Busches hervor.

Ihre Pfoten hinterlassen kleine Vertiefungen im Schnee, als sie sich unter das Fenster setzt und den Schreien lauscht.

Wehe um Wehe jagt durch den Körper der Frau, hallt wider von den Scheiben des Zimmers, hallt wieder im Treiben des Schnees.

Aus dem Dunkel des Busches schälen sich weitere schwarze Leiber. Den Blick starr an das erleuchtete Fenster geheftet, laufen bald fünf, bald zehn Katzen über den weißen Innenhof.

Endlich mischt sich der Schrei eines Neugeborenen in den Tanz der Flocken, ein verzerrter Schrei um Wärme und Liebe und Schutz, der von Katze zu Katze weitergegeben wird, bis Dutzende versammelter Felinen eingestimmt haben. Die kleinen Köpfe weit in den Nacken gerissen, der lidlose Blick gen Himmel geheftet, füllen sich ihre Lungen mit der kalten Luft und stoßen sie unter dampfend-heißem Miauen wieder hinaus. Alle, außer der ersten, die stumm und reglos ihren Blick auf das Fenster richtet.

Aufgeschreckt von dem Tumult im Innenhof kommt der Nachtwächter der Klinik herbei, einen Besen in der Hand, doch er sieht nur die Spuren unzähliger Katzenpfoten im leeren, schneebedeckten Hof.

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