Shadowrun Berlin

Die Online Erweiterung von Andreas AAS Schroth

Drachenbrut 01 | Mit den Augen der Katze (9)

HAMBURG | 2053

„Priwjet, Nikolai ! Kak dela ?“ Die rauchige Stimme gehört zu einer spärlich bekleideten Schwarzen, die die Winde des Schicksals aus Denver nach Wildost verschlagen haben. Zaira nennt sie sich hier und ist die Managerin des Bordells.

Sie sitzt, eine Schrotflinte auf den Knien, am Eingang auf einem wurmstichigen Barhocker, die endlos langen Beine gehüllt in Latex-Stiefel mit Extrem-Absätzen, ihr schwarzes, gelocktes Haar offen über ihre entblößten Schultern, die Wölbungen ihrer Brüste rollend. Ihren „Lieblings-Russen“ Nikolai bedenkt sie wieder mit ihrem für sie typischen Lächeln, das lediglich erahnbar ist und deshalb leicht spöttisch wirkt.

Einige Jahre ist es her, daß Tolstoi sie hier getroffen hat, und aus der Vereinbarung, daß er hier schlafen könne, wenn er helfe, Abschaum rauszuschmeißen – oder wenigstens solchen, der nicht zahlt – war eine Freundschaft gewachsen.

Sie ist Mensch und mit 28 Jahren eigentlich um einiges jünger als Tolstoi, aber mit ihrer fürsorglichen Art hat sie für alle im Umfeld eher den Status einer Mutter – einer sehr harten und geschäftstüchtigen Mutter zwar, die sich auch von der Mafia nicht alles gefallen läßt, aber einer fürsorgliche Person, die gegenüber den Kindern in ihrem Bordell ein gewisses Maß an Verantwortung pflegt.

Tolstoi schätzt ihre Bemühungen, sich auf Russisch mit ihm zu verständigen – tatsächlich ist Russisch (über-)lebensnotwendig in Wildost, und so hat sie in ihm auch noch einen kostenlosen Lehrer gefunden.

„Pòjdjot, krasiwaja djewotschka. Spasibò.“ gibt er zurück, immer noch bemüht, sich wieder unter Kontrolle zu bringen.

„Chotschesch spat* sò-mnoj ?“

Die Frage bringt den Elfen dazu, sanft zu lachen. Es verwunderte ihn

nicht, daß ihr gerade dieser Satz mittlerweile nahezu akzentfrei

von den Lippen ging.

„Du kennst die Antwort, sestra….“

„Njet, njet, njet – Ja znaju“

„Na, also – aber es heißt Ja znaja, oder bist Du auf einemal keine Frau mehr ?“

„Znaja. Gott, ihr Russen und eure Scheiß-Beugungen. Is“ ja fast so schlimm wie die Deutschen. Aber say, what“s wrong with yer?“

„It“s that…“ und dabei dreht der Elf den Kopf leicht zurück „DURAK over there.“

„Ey, don“t take it so hard – A mean, sure he“s an asshole, but, hey, even she“s gotta make money, n“est-ce pas ? Nitschewo…“

„… nje sdjelajesch, ja znaju, ja znaju. Anyway, mnje nado pòjti.“

„Seeya. Errh – I mean: Doswidandje“

Schon im Gehen begriffen, dreht sich der Elf nochmals um: „Erstens es heißt „Do-swidanja“ und zweitens das ist zu steif für diese Gägend: Pòka, just pòka.“

„An“ wuzzat supposed ta mean ?“

„Ciao.“

„So – what“s the difference.“

„Ty glupyi.“

„Eh ? What ?“

Den Rücken zu ihr gekehrt, seufzt er „Nitschewo njet, sestra“ und, die Hände in den Jackentaschen, verschmilzt sein Körper mit dem heißen Rauch aus einer brennenden Öltonne, um die einige Jugendliche Punks stehen, die schadenfroh in Zairas Richtung lachen.

Sie zieht kopfschüttelnd den Vorhang zu und beäugt Fatima aus den Augenwinkeln, deren braune Mähne zwischen den feisten Schenkeln des Städters vor und zurückzuckt.

Sie weiß, daß der Elfen-Samurai irgendein Junkie ist und in einer Fantasiewelt lebt, einer Cyberwelt voller flirrender Schatten, daß er tag um nacht in seiner dunklen Bude hockt und mit seinen verdammten leuchtenden Augen vor sich hinstarrt.

Das Grunzen des Städters in den Ohren, fragt sie sich, warum sie nicht genauso ist. Einfach dichtmachen. Lieber ein Phantasie-Paradies als diese Real-Hölle.

Der Städter rückt sich die Krawatte zurecht, gefolgt von seinem Kon-Bodyguard. AG Chemie gestattet ihren Execs solch ausgefallenen Luxus. Keine Geheimnisse. Wozu auch ? Glückliche Angestellte arbeiten gut.

Er bezahlt und bedankt sich, zieht sich den Reisverschluß zu und wendet sich lächelnd ab. Sie zählt das Geld, und fühlt eine unbequeme Leere in sich.

Und wünschte, der Elf mit den flirrenden Augen wäre hier.

Oder würde zur Hölle fahren.

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