Shadowrun Berlin

Die Online Erweiterung von Andreas AAS Schroth

Drachenbrut 06 | Schatten und Echos (10) – Der letzte Teil

TIR N’ZAGH – 2045

Lautlos gleitet der schwarze Saab Dynamite die knochige Straße entlang. Der Motor gibt nur ein hohes Pfeifen und ein sonores Surren von sich, während unter den Rädern Kiesel und Staub emporgeschleudert werden. Die Straße ist kaum mehr als ein breiter Weg, der vor sehr langer Zeit in die Berge gemeißelt wurde.

Eine weitere Kurve bleibt hinter den verspiegelten Scheiben zurück, unterdessen über dem nächsten Felsvorhang ziselierte Spitzen eines Schlosses aus schwarzem Stein auftauchen.

Der Wagen passiert zwei Megalithen, die sich rechts und links des Weges erheben. Vor dem Tor zum Schloß stehen zwei in schwarze Rüstungen gekleidete Wachen, gekrümmte Schwerter an ihrer Seite, eine schwarze Hellebarde in Händen, an deren Spitze vom matten Wind bewegt ein rot-schwarzes Banner dümpelt.

Nun ist es der massive Leib des Sportwagens, der deplaziert wirkt in der Szenerie.

Der Kreis schließt sich.

Mit tiefem Brummton passiert er die reich verzierten Drachenköpfe, deren ausdrucksloses Gesicht geringschätzig auf das gebogene Stahl des Fahrzeuges fällt. Der grau-blaue Himmel gleitet behäbig über die verspiegelten Scheiben des Eindringlings, der sein donnernd-summendes Rollen schließlich verliert. Unter dem Auto wird ein schwarzer Stiefelschaft sichtbar, dann noch einer.

Aus der offenstehenden Fahrertür klingt dumpf das Donnern einer hochgetuneten Baseline. 1980er Stil E-Gothik.

If I’m out of touch and need reminding
just tell me I have been found
I’m walking to a new dimension
I have left familiar grounds
All the things I do
maybe seem to you
as forced behavior but I can’t
really change your mind
this is my time
Annie you would not understand

Der Fahrer des Wagens hält inne, schiebt sich die dünne Sonnenbrille auf der Nase hoch und beäugt den auf dem Amaturenbrett des Wagens plazierten Fernseher, der sich mit sanftem Surren in seine Richtung dreht.

I become blind
I lost my mind
yes you know but Annie would I lie to you
I’ve got control
this is my show
listen to me Annie would I lie to you

Der hochgewachsene Mann lächelt leicht, streicht sich schwarzes Haar aus der Stirn. Mit leichter Bewegung nimmt er ein schweres Stoffpaket auf, das er zu einem Umhang entfaltet. Nur kurz erscheint ein kleiner schwarzer Schatten am Fuß der Beifahrertür, der mit emporgerecktem Schweif dem Portal entgegeneilt.

I still have my name
I still have my face
I have not run away from home
Doesn’t seem so wrong
if I not embraced
every single thing I’ve never known

Der Ton reißt ab, als der Mann den Fernseher ausschaltet.

Eine gleichsam schwarze Sporttasche findet ihren gehorsamen Platz an der Seite der Combat Boots, unterdessen der sanfte Schauer sacht einschnappender Schlösser durch den Burghof rieselt.

Der schwarzhaarige Elf, der nun, die Sporttasche über die Schulter geworfen, dem Hauptportal entgegengeht, klappt die Sonnenbrille zusammen und läßt sie in das Innere seiner Lederjacke gleiten.

Vor ihm öffnen sich die schweren gußeisernen Portalflügel, zwischen denen er winzig erscheint. Auf der obersten Stufe der Portaltreppe wendet er sich nochmals um und blickt eine leere Stelle grünen Grases im Burghof an. Lächelt sanft.

Dann betritt er die Eingangshalle, deren kühle Luft ihm einen Begrüßungskuß auf die Wange haucht.

Endlich zu Hause.

Eine dünne Gestalt fliegt von rechts auf ihn zu, wirft sich ihm um den Hals.

„Nikuriel, Ihr seid zurück !“

Verwirrung überkommt ihn. Vermischt mit Traumbildern und den Erinnerungen seines „Vor-Lebens“ ist ihm das Bild der bleichhäutigen Banshee entglitten, und erst einige Sekunden später kommt es zurück.

„Meine Teure, ich hoffe, Ihr habt Euch im Schoße meines Thrones wohlgefühlt.“

Die schlanke Gestalt der Frau erstarrt. Versucht, in den grünen Augen des Elfen zu lesen. Sie läßt ab von ihm, geht einige Schritte zurück.

„Ich habe nur erfüllt, was mir aufgetragen wurde.“

Sicher

„Und dafür möchte ich Euch danken, werte Katharizna. Ihr müßt meine schroffe Begrüßung verzeihen, aber die Wirrungen der Magie, die mich zurückbrachte, legt sich oftmals wie ein Schleier über meinen Geist. Zuweilen erscheinen mir Irrbilder von vergangenen Ereignissen, da ich ruhte, in denen ich Euer Wirken sehen soll. Aber natürlich ist solches Wahnsinn. Verzeiht.“

Und damit schreitet er an ihr vorbei in Richtung der breiten Treppe zum Thronsaal. Auf dem zweiten Absatz dreht er sich nochmals um:

„Oh, bevor ich es vergesse: Bitte sendet doch Eure Boten nach Nadjuseanel aus. Mich dürstet nach ihrem Antlitz, daß ich so ungewohnt und ungewollt lange vermissen mußte. Ich verlasse mich auf Euch.“

Ehe sie etwas entgegnen kann, wendet er sich ab und setzt seinen Weg zu den schweren Steintüren fort, die er mit einer Handgeste aufschwingen läßt.

Im Halbdunkel des Thronsaales ruht ein lichtloser Berg schwarzer Schuppen, dessen Brust sich in großer Ruhe hebt und senkt. Die Augen des Drachen sind geschlossen, nur ab und an glimmt ein fahles blaues Leuchten zwischen hornigen Lidern hervor.

Ohne daß sich seine Lippen bewegen, schickt der Elf Worte in den Geist des schlafenden Drachen, während er zugleich eine schwarze Katze vom Boden aufnimmt.

Erwache, Mordrak-Khan. Wir haben viel zu bereden.

E N D E

 

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