Shadowrun Berlin

Die Online Erweiterung von Andreas AAS Schroth

Drachenbrut 04 | Die Brut des Drachen (10)


HAMBURG – 2036

„Guten Abend“.

„Wie kommst Du denn hier rein, und was willst Du von mir ?“

„Alles zu seiner Zeit, mein Freund.“

Rote Wolke mustert den Fremden, der so plötzlich in seinem Zimmer aufgetaucht war. Der Typ ist ein Elf, daran kann kein Zweifel bestehen. Die Form seiner Augen, der Schnitt seiner fließenden Gewänder, die verstrickten silbernen Inschriften wiesen auf eine russische Abstammung hin, ebenso wie das scharf geschnittene Gesicht und das weiße, glatte Haar, das sich zwischen den auf dem Boden schleifenden Falten seines Gewandes verliert.

Der Fremde legt beide Hände aufeinander und offenbart so den Anblick mehrerer Ringe, die mit arkanen Zeichen umrankt sind.

Seine Stimme ist tief und sonor, dabei klar wie Eis:

„Heute nacht kommt ein weiterer Laster an diesen unheiligen Ort hier.“

„Ja, ich weiß. Jede Nacht kommen Laster hier an, jede gottverdammte Nacht seit November ’34, als die Abschiebegesetze durch den Rat gepuscht wurden.“

„Dieser Laster ist ein spezieller Laster. An Bord befindet sich ein Skythe mit schwarzem Haar, der auf den Namen Nikolai hört.“

„Nicht zufällig ein abtrünniger Sohn von Dir, oder? Entschuldigung, aber ich pflege mich nicht in die Familienangelegenheit des Elbvolkes einzumischen.“

Der Fremde hält inne, legt den Kopf schräg und begutachtet sein Gegenüber eindringlicher, das Gesicht eine Mischung aus Verwunderung und Nachdenklichkeit.

„Ihr wißt viel, für einen Sterblichen.“

Rote Wolke wendet sich ab, fährt fort, die Bretter aneinanderzuleimen, die dereinst einmal die Wand einer Behausung bilden sollen.

Abschiebelager Harburg-West ist nicht mehr als eine Gruppe von Hütten im Sumpf, im Moment, umzäunt von einem großen Sperrgürtel. Einige schrottreife Schiffe und Lagercontainer hat man zusammen mit ein paar Wohnmodulen (für Fernsehberichte) hierhergebracht, um die auszuweisenden Russen „zwischenzulagern“, ehe sie weiß der Geier wo „entsorgt“ werden.

Jeden Tag werden es mehr. Die Wohnsilos sind längst voll. Einige Leute aus der Piratenszene werfen nachts heimlich Baumaterial oder sogar Essen ab, warum, weiß Rote Wolke nicht. Menschen weinen. Kinder schreien, betteln um Essen. Er hat wirklich besseres zu tun, als sich um die Streitereien zwischen Papi und Sohn zu kümmern, wie es bei diesem russischen Elfen wohl der Fall ist.

„Aber hört mich trotzdem an. Der Elf, Nikolai Vladov – oder Tolstoi, wie er sich derzeit zu nennen pflegt“ (er lächelt kurz) „hat nichts und niemanden hier. Man hat ihm böse mitgespielt, ihn halbtot geprügelt…“

„… verdammt nochmal, dann hilf ihm einfach. Du siehst aus, als hättest Du weißGott genug Kohle, um Dein Jüngelchen heimzuholen, ihn in edle schwarze Outfits zu stecken und ihn von silbernen Tellern essen zu lassen. Nimm“ ihn Dir mit und verzieh Dich, so ka ?“

„Ihr mißversteht mich – so einfach ist das alles nicht. Ich kann ihn nicht „heimholen“, das wäre gegen….Es geht nicht. Hör“ zu, vertrau mir, daß ich wirklich alles zu tun bereit bin, was mir möglich ist. Ich will doch nur, daß Du ein Auge auf ihn hast und ihm ein wenig hilfst.“

Rote Wolke rollt mit den Augen. Er fixiert sein Gegenüber. Merkwürdig – so seltsam die Geschichte auch ist, aber er glaubt dem Alten Mann, daß es ihm ernst ist. Er bewegt sich so wie jemand, der gar nicht hier sein dürfte, verstohlen und heimlich hierher geschlichen ist. Er seufzt, schüttelt den Kopf.

„Ich weiß, daß ich das bedauern werde – was willst Du, daß ich tue ?“

„Das ist eine lange Geschichte…….“

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